kuratorische
Einleitung
„Ich sehe was, was du nicht siehst“ ist ein Versuch, das Unsichtbare zu ehren. Eine Raumgeste der Dankbarkeit. Und vielleicht eine Erinnerung daran, dass Gestaltung nicht am Entwurf endet – sondern dort beginnt, wo Menschen sich kümmern.
Es geht um Erhalt. Um Nutzung und ihre Spuren. Um einen bewussten Umgang mit Bestand. Reinigung! Sie ist nicht Beiwerk, sondern Voraussetzung. Ohne sie verlieren Räume an Wirkung, Haltbarkeit und Wert. In der Innenarchitektur wird viel über Gestaltung gesprochen – aber selten über das, was diese Gestaltung trägt. Reinigung ist Teil des Entwurfs. Ein stilles, tägliches Ritual der Fürsorge. Was wir sehen, ist das selbstverständlich Unsichtbare. Tag für Tag sehen wir: nichts. Und gleichzeitig geschieht sehr viel. Reinigung ist oft prekäres Terrain – strukturell entkoppelt, ausgelagert, gering bezahlt. Reinigungskräfte stehen am Rand unseres Systems, obwohl sie es im Innersten zusammenhalten. Viele sind weiblich. Viele mit Migrationsbiografie. Viele ungeschützt – in einem Betrieb, der auf sie baut.
Diese Ausstellung entstand aus einer ethnografischen Annäherung an das Reinigungsteam der Hochschule. Über zwei Semester hinweg wurden Arbeitswege beobachtet, dokumentiert, Routinen begleitet, zugehört, Gespräche geführt. Vertrauen aufgebaut. Räume und Utensilien bekamen Charakter. Es ging um Handgriffe, um Witz, um Frustration, um Zufriedenheit. Es geht um Menschen mit unterschiedlichsten Biografien – verbunden durch einen Beruf, der gesellschaftlich oft entwertet wird. In „Ich sehe was, was du nicht siehst“ verschmelzen Glamour und Alltag, High Fashion und unsichtbare Arbeit, Selbstbild und Verantwortung, Oberfläche und Substanz. Eine leise, aber bestimmte Kritik an institutionellen Blindheiten. Ein spielerischer Umgang mit Hierarchien, in denen Wert nicht nach Bedeutung, sondern nach Sichtbarkeit verteilt wird. Ein Spiegel für uns und eine Hommage an die Menschen, deren Arbeit Grundlage jedes innenarchitektonischen Wirkens ist. Die Ausstellung ist keine Antwort – sondern eine Frage. Eine Frage nach Wert und/oder Alltag. Nach Prestige und Prekariat. Nach Nutzung und Beseitigung, Sensation und Selbstverständlichkeit. Komplexität, gefasst in ein scheinbar einfaches Spiel.
Ich sehe was, Was du nicht siehst - Was siehst du?